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Die Innenstadt, der 1. Bezirk von Wien, soll zu einer weitgehend autofreien Zone werden.

Die Innenstadt, der 1. Bezirk von Wien, soll zu einer weitgehend autofreien Zone werden. Foto: Herbert Neubauer/APA/dpa

Auch für Touristen «Parkpickerl» fürs Klima: Wien erschwert das Autofahren

Der Streit ist unüberhörbar. Das Parken in ganz Wien ist seit 1. März kostenpflichtig. Das gilt für Anwohner, Pendler - und Touristen.

Ein schneller Besuch bei der Oma oder bei Freunden im anderen Stadtteil? Aus dem Umland mit dem Auto zum Arbeitsplatz in die Stadt fahren? Eine Reise nach Wien mit dem eigenen Fahrzeug? Im Prinzip noch alles möglich, es wird aber seit Dienstag (1. März) deutlich erschwert.

Aus Klimaschutzgründen weitet Österreichs Hauptstadt das Anwohnerparken auf das gesamte Stadtgebiet aus. Damit müssen alle anderen Autofahrer von Montag bis Freitag zwischen 9 und 22 Uhr auf kostenpflichtige Kurzparkzonen, Parkhäuser oder Park&Ride-Parkplätze am Stadtrand ausweichen. Außerdem gibt es in wenigen Straßen Ausnahmen von der neuen Regel.

Halbierung des Autopendler-Verkehrs

Die Maßnahme der Zwei-Millionen-Metropole trifft auch Touristen oder Besucher von Angehörigen. «Wenn Eltern einer deutschen Studentin unter der Woche mit dem Auto kommen, bleibt ihnen nur das Parkhaus», sagt ein Sprecher des Verkehrsressorts der Stadt. Ziel sei die Halbierung des Autopendler-Verkehrs in die Stadt bis 2030. Nach Schätzungen kommen täglich um die 200.000 Pendler mit dem Wagen.

Die Stadt hat vor mehr als 20 Jahren das sogenannte Parkpickerl eingeführt, das für eine Gebühr von mindestens 120 Euro im Jahr nur Anwohnern das längerfristige oder vielstündige Parken erlaubt. Es wurde im Lauf der Zeit auf immer mehr Stadtteile ausgedehnt. Nun folgen die letzten fünf der insgesamt 23 Wiener Bezirke.

Es sei der Regierung aus Sozialdemokraten und Liberalen gelungen, auch die restlichen Stadtteile von der Sinnhaftigkeit der Maßnahme zu überzeugen, heißt es aus dem Rathaus. «Pkw, die im Schnitt 23 Stunden pro Tag gar nicht bewegt werden, dauerhaft im öffentlichen Raum abzustellen, ist eine der ineffizientesten und stadtunverträglichsten Formen, den ruhenden Verkehr zu organisieren», so ein Verkehrswissenschaftler der Universität Wien, Harald Frey.

Einige Berufsgruppen besonders betroffen

Für bestimmte Berufsgruppen und ihre Arbeitgeber drohen erhebliche Konsequenzen. «Wir haben schon einige Mitarbeiterinnen, die wegen der Ausweitung des Parkpickerls gekündigt haben», sagte der Geschäftsführer eines Betreibers von 93 Kindergärten der Zeitung «Die Presse». Die Fachkräfte aus dem Umland wollten die zusätzlichen Kosten nicht tragen und dann lieber heimatnah arbeiten.

Wer, wie zum Beispiel Fahrer von Krankentransporten, das Dienstauto bisher vor der eigenen Haustür abgestellt habe, müsse es nun zum Firmengelände fahren und es so zusätzliche Kilometer bewegen. Wirte, deren Kneipen schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind, bangen um Gäste. Zumal die Besucherparkplätze jetzt auch von Mitarbeitern genutzt werden müssten, heißt es.

All diese Mahnungen hält die Stadt für unbegründet. Schon bisher habe sich gezeigt, dass diese Ängste übertrieben gewesen seien. In der Tat verfügt die Stadt über ein dichtes Netz an Bussen und Bahnen. Die U-Bahn-Haltestellen werden oft in nur wenigen Minuten Abstand angefahren. Das Jahresticket für den gesamten Nahverkehr kostet 365 Euro. Die Einnahmen aus der Parkraum-Bewirtschaftung, die auf dann etwa 170 Millionen Euro im Jahr steigen, sollen direkt in den weiteren Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs fließen.

Kritik und Ruf nach Ausnahmen

Die Opposition in der Stadt kritisiert den Schritt und fordert zumindest viele Ausnahmen. «Es ist unumgänglich, für die ältere Bevölkerung und einzelne Berufsgruppen flexible Lösungen anzubieten», fordert die konservative ÖVP im Rathaus. Es gehe etwa um Angehörige, die ein pflegebedürftiges Familienmitglied betreuten. Mit dem jetzigen Modell werde die Mobilität gerade von betreuungsintensiven Gruppen eingeschränkt.

Der Deutsche Städtetag sieht die Wiener Initiative als Beispiel für den konsequenten Weg einer Kommune. «Wir müssen genau schauen, wie wir die öffentlichen Flächen in unseren Städten nutzen - als einladenden Raum zum Leben, Laufen und Fahrradfahren, nicht nur als Fahrbahn für Autos oder Parkplatz», sagt dessen Hauptgeschäftsführer, Helmut Dedy. In Deutschland müssten die Länder jetzt den Städten die Entscheidung über die Gebühren für das Bewohnerparken übertragen, fordert der Städtetag.

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